Ich bewundere täglich aufs Neue das Stehvermögen und die Disziplin mancher asiatischer und osteuropäischer IT-Anbieter. Tag für Tag arbeiten sie unbeirrt ihre Vertriebslisten ab, sagen am Telefon ihre Sprüchlein auf, versenden ihre www-Adressen und Broschüren und notieren eifrig Kundenwünsche. Oder sollte ich besser sagen:
Nicht-Kundenwünsche ? Das scheint näher an der Wahrheit zu liegen: Asiatische IT-Firmen klagen über den hohen Aufwand und die mässigen Erfolge ihrer Vertriebsanstrengungen bei Endkunden.
Neulich gestand mir ein technischer Einkäufer eines deutschen, milliardenschweren Handelsunternehmens – ein Traumkunde für jeden Global Sourcing-Anbieter –
daß er nicht verstehe, was da angeboten wird. Ich glaube ihm das. Technologie- und Softwareanbieter aus dem fernen Ausland neigen dazu, mit unverständlichen, ans dadaistische grenzenden Aussagen zu werben („We give RFP in 24 hours!“) oder schmücken sich mit den irrsinnigsten Beinahe-Zertifikaten („we work with processes oriented along CMM level 4, and MS Gold is expected by Q4!“). Selbst wenn man sich auf der
CeBIT 10 Minuten lang mit einem Anbieter unterhält, hat man dannach keine Ahnung, was er eigentlich verkaufen will. Auch für
Experten mit einigen Jahren
Erfahrung im asiatischen Technologiekontext ist es mitunter mühsam, herauszuarbeiten, was einen Anbieter wirklich aus der Masse herausheben und ihn zu einem attraktiven Partner machen könnte.
Damit Aufträge vergeben werden, müssen Anbieter und Nachfrager übereinkommen – und das passiert oftmals, und gerade auf solchen Messen, eben nicht. Die Anbieter können nicht einfach und sinnvoll erklären, was sie anbieten, und die Nachfrage sind ob der Komplexität der Informationen zu verwirrt, um irgendeine Entscheidung zu treffen. Meine Beobachtung ist:
Der Bedarf besteht, aber er findet oftmals keine verständliche Antwort.Das ist zunächst mal natürlich schlecht – einige der Anbieter werden das nicht überleben, ihre Angebote werden vom Markt verschwinden obwohl sie eigentlich gut waren, nur eben nicht gut verkauft. Auf lange Sicht ist die Entwicklung aber dann doch wieder gut, denn sie zeigt vor allem eins: Die Offshore-Outsourcing Branche reift. Sie ist erwachsen geworden. Sie ist heute komplex und steckt voller subtiler Details. Und, ganz wichtig:
Die Nachfrager behandeln Global Sourcing / Offshore Outsourcing zunehmend wie Infrastruktur. Die Offshore Outsourcing Industrie wird sterben. Nicht im eigentlichen Sinne – es wird in der Informationstechnologie immer globale Zusammenarbeit geben, solange die Transaktionskosten fast bei Null liegen – aber es wird für die Endanwender, die letztendlichen Nachfrager nach IT-Lösungen, keinen Grund mehr geben, sich auf der Cebit bei den indischen, tschechischen oder philipinischen Anbietern verwirren zu lassen. Wenn etwas zur Infrastruktur geworden ist, so wie Stromversorgung oder Internetverbindung, interessieren sich nur noch wenige für die Details der Herstellung.
Es zählen nur noch Ergebnisse. Innovative, globale Wertschöpfungsketten sind nur noch interessant für Hersteller – deren Aufgabe ist es, attraktive Pakete zu schnüren, welche die Kunden dann kaufen wollen.
Niemand will „Offshore Outsourcing“ kaufen. Kunden wollen Lösungen: Datenbankanbindungen, SAP-Reports, Migrationen von A nach B. Sie wollen es schnell, qualitativ einwandfrei und möglichst günstig. Sie wollen sich nicht in fremde Kulturen einarbeiten, sie können auf verrauschte Telefonkonferenzen rund um den Globus verzichten, sie brauchen auch keine 3,5 Stunden Security-Wartezeit im Indira Gandhi Airport wenn sie mal „ihr Team“ besuchen waren. Sie wollen nichts damit zu tun haben.
DAS ist die Zukunft von Offshore Outsourcing.Stellen Sie sich vor, ein asiatischer Betreiber eines Schreibbüros müsste einer deutschen Anwaltskanzlei seine Dienste verkaufen. Er hätte einen schweren Stand, denn die Errungenschaften seiner Branche wären schwer zu vermitteln: Verschlüsselung von Übertragung von diktierten Inhalten über das Internet, Webportale mit Bereichen zum Hinterlegen von Diktaten und Dokumenten, Qualitätssicherung, Datenschutzvereinbarungen, ausgefeilte Trainingscurricula für die Mitarbeiter etc. Der Anwalt möchte einfach nur seinen Schriftsatz, und zwar fehlerfrei, schnell und zu bezahlbaren Kosten.
Wie das en detail funktioniert, interessiert ihn überhaupt nicht. Daher werden solche Dienstleistungen auch nicht an Anwaltskanzleien, sondern an Bürodienstleister verkauft. Airbags (als Teil einer Sicherheits-Gesamtlösung) werden ja auch nicht an Autofahrer verkauft, sondern an Autohersteller. Ein Callcenter in Indien (als Teil eines Service-Pakets für Handies) wird nicht den Handybenutzern verkauft, sondern der Telekom.
Software As A Service (SaaS) ist ein schönes Beispiel: Wen interessiert, wie
Salesforce.com im Hintergrund funktioniert ? Hauptsache, meine Aktivitäten werden zuverlässig verwaltet!
Die CeBIT wird nun nicht völlig auf ihren Offshore Outsourcing Bereich verzichten. Dafür ist das Thema zu wichtig. Aber sie wird nicht mehr ganze Hallen dafür vorsehen, obschon immer wieder innovative Anbieter von Global Sourcing Ideen neue Produkte und alternative Wege für die Branche aufzeigen werden.
Der Fokus der Branche wird sich jedoch von der breiten Masse zu einer stark verdichteten Gemeinde von Global Sourcing Profis verlagern. Auf fokussierten,
hochkarätig besetzten Fachkongressen und
Veranstaltungen werden sich die Macher der Industrie austauschen, werden die asiatischen und osteuropäischen Global Sourcing Anbieter mit den Technologieführeren Europas verhandeln und Angebot und Nachfrage zusammen bringen.