Samstag, 29. März 2008

Die Mischkalkulation ist dein Freund

„Mit diesem niedrigen Gehalt zerstört Ihr doch nur die Arbeitsplätze“ wurden wir gelegentlich angezischt, wenn wir den Job einer qualifizierten Kraft wieder einmal für weniger als fünf Mark die Stunde erledigt hatten. Wir erledigten dieselben Jobs wie unsere dreifach so gut bezahlten Kollegen, unsere Kunden wussten oftmals nicht, wer eigentlich Fachkraft und wer Billigarbeiter war…Halt! Das hat mit IT oder mit Offshoring nichts zu tun, sondern war der Arbeitsalltag während meines Zivildienstes in den 80er Jahren, als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz. Der Markt für Rettungsdienste und Krankentransport war gerade frisch dereguliert worden, private Anbieter etablierten sich, die Mischkalkulation war für das DRK damals die einzige Möglichkeit, gegen den Wettbewerb wirtschaftlich zu überleben. Durch die Beschäftigung von kostengünstigen Kräften parallel zum Kernteam wurde insgesamt ein akzeptables Lohnkostenniveau erreicht, um den öffentlichen Versorgungsauftrag zu den armseligen Erstattungssätzen der Kostenträger erfüllen zu können.
Übertragen auf die Offshore-Vergabe von Softwareaufträgen hinkt das Beispiel natürlich gewaltig. Einzig das Phänomen Mischkalkulation ist dasselbe: Nur wenn die Kollegen in Indien, China und Osteuropa unseren durchschnittlichen Kostensatz drücken, bleiben wir wettbewerbs- und am Markt überlebensfähig. Wenn sich die Kosten der Softwareentwicklung langfristig nicht unter den erzielbaren Ertrag drücken lassen, wird der Chef irgendwann die Produktion einstellen müssen. Und da gibt’s dann keinen öffentlichen Auftrag mehr, sondern höchstens noch den feixenden Wettbewerber, der sich längst ein schlankes Programmierer-Kernteam mit Zuarbeitern in der ganzen Welt eingerichtet hat. -

Neulich rief mich eine Londoner Agentur an: Bei rund 20 Leuten in der Softwareentwicklung beschäftige man außerdem zwei Outsourcing-Partner. Einen aus Asien, einen aus Osteuropa, man sei auch sehr zufrieden – wolle aber auf mehr als nur zwei Beinen stehen. Ob ich ihnen bitte eine maßgeschneiderte Empfehlung für zwei weitere Offshore-Partner erstellen könne. Nach zwei ausführlichen Telefonaten zu den vorhandenen Prozessen und den technologischen Anforderungen mache ich mich an die Recherche…und bin beeindruckt von der Weitsicht dieses Kunden. Nicht nur weil er mich beauftragt (das spricht natürlich ganz gewaltig für ihn :-)), sondern weil seine Offshore-Partnerschaften Teil seines regulären Risiko- und Portfoliomanagements geworden sind. -

Letztlich: Eigentlich war ich ja sicher, dass schon letztes Jahr entweder Tata Consultancy Services, Infosys oder Wipro eine der westlichen „Big Five“ Managementberatungen übernehmen würde. Einstweilen hat sich Ratan Tata die ehemals britischen Edelmarken Jaguar und Land Rover genehmigt. Der Countdown läuft…