Samstag, 12. Juli 2008

"Remote Infrastructure Management" – ähm, wie bitte?

Wenn ich auf Befragen erkläre, was ich beruflich mache, sehe ich oft große fragende Augen vor mir. Dabei versuche ich, es wirklich kurz und knackig auf den Punkt zu bringen: "Ich berate Firmen dabei, wie sie asiatische oder osteuropäische Dienstleistungen nutzen können. In der Softwareentwicklung, aber auch in verwandten Bereichen." Jaja, soso, ... wie man sich das denn vorzustellen habe? "Nun, ich habe ziemlich viel Erfahrung im internationalen Projektmanagement, und ich habe eine schöne Liste von handverlesenen IT-Dienstleistern aus der ganzen Welt, die jeweils..." Aha, höre ich dann. Da habe ich also viel mit Computern zu tun?
Es ist schwer, manchmal. Weitere Erklärungen sind notwendig.

In der üblicherweise folgenden Unterhaltung fallen meist die Stichworte Internet (überall), Kosten der Informationsübermittlung (null), Fachkräfte (hier wenige, dort viele.), Kosten (hier hoch, dort niedrig). "Dann sitzen Sie in Freiburg ja nicht gerade am Nabel der IT-Welt!" werde ich dann gerne informiert, und auch der Hinweis auf Email, Internet und das Telefon trifft auf Skepsis. Aber: "Peking is' für mich so weit weg wie Stuttgart", sagte mal ein Kollege zu mir, "da fahr' ich ja auch nicht hin!". Dass ich gerade in Freiburg nah an den Unternehmen dran bin, die eben nicht wie Siemens, SAP oder T-Systems bereits IT-Center in ganz Asien haben, halte ich für einen echten Vorteil. Ich will ja nicht gegen Accenture oder EDS antreten, sondern dem regionalen Mittelstand eine vernünftige Herangehensweise an die globalisierte IT-Welt vermitteln. Und das nicht nur in Asien, sondern auch mit Blick auf unsere unmittelbaren Nachbarn in Osteuropa.

Die grenzenlose Welt der Informationstechnologie

Global IT Sourcing (also zunächst einmal: "Programmierung anderswo erledigen lassen") ist für viele immer noch ein Angstthema. Man behauptet hartnäckig, das sei für einen selbst nicht relevant, man habe viel zu komplexe Anforderungen und außerdem habe man gehört, dass das nie klappe, immer Tränen gäbe und überhaupt das Ende des christlichen Abendlandes bedeute.

Angesichts dieser Ausgangslage ist es vielleicht etwas verträumt, hier jetzt noch eine neue Facette der globalen Wertschöpfungskette vorstellen zu wollen. Ich glaube aber zu wissen, dass die Leser dieses Blogs doch eine Spur schneller als der Durchschnitt verstehen, wohin die globalisierte Welt steuert. Und dass das Eingraben auf Uralt-Positionen keine Zukunft hat. Und dass Technologie grenzenlos ist, und ihre Beherrschung kein Privileg der Bewohner Westeuropas und Nordamerikas. Und dass sich der eine oder andere schon mal gefragt hat, ob man bestimmte, gut beschreibbare Aufgaben nicht wirklich besser beschaffen kann als beim lokalen Edel-Anbieter.
"Remote Infrastructure Management" (oder, ganz hip: "RIM") ist so eine Facette, und der eine oder andere wird spätestens jetzt lieber weiter zur Computerbild klicken. Dem Rest sei verraten, dass Global IT Sourcing sich eben nicht darauf beschränkt, nur "Programmierung anderswo erledigen zu lassen". Es gibt eine Reihe weiterer Tätigkeiten, für die vor Ort, hier bei uns, kaum noch bezahlbare Kapazitäten vorhanden sind und die von kompetenten Kollegen im Ausland ebenso gut erledigt werden können. Die IT-Infrastruktur eines Unternehmens ist ein gutes Beispiel: Nachdem Datei- und Emailserver, Webpräsenz und Telefonanlage, Backupsystem und Notstromversorgung stehen, fällt permanenter Wartungsaufwand an.


Hilft mir bitte mal jemand?

Das Sicherheitsmanagement, bspw. das Schließen von Sicherheitslücken durch Konfiguration der Systeme und das Einspielen von Patches, verursacht traditionell großen Aufwand. Die Nutzer- und Gruppenverwaltung generiert eine permanente Last, das Management des betrieblichen Datenbestandes selbst, die Durchführung großer Backup- oder Wiederherstellungsoperationen, alle diese Dinge summieren sich zu einer gewaltigen Aufgabenlast auf. Welche IT-Abteilung mittelständischer Unternehmen hätte sich nicht schon gewünscht, es gäbe jemanden, der wenigstens die "einfachen", klar umschriebenen Aufgaben erledigen könnte? Der Sicherheitspatches einspielt, neue Nutzer anlegt, sich um pünktliche Backups und aktuelle Softwareversionen kümmert? Der einfache Systemfehler korrigiert, Logfiles leert, Plattenplatz zuweist, Altbestände komprimiert und archiviert, die Webseite aktualisiert, neue Nebenstellen zuweist, den Printserver neu startet, und so weiter und so fort ?

Die IT-Abteilung vor Ort kann sich dann nämlich darum kümmern, welche Geschäftsprozesse des Unternehmens IT-Unterstützung benötigen, wie die IT ihre Mitwirkung optimal erbringen kann und welche technischen Hilfsmittel die Unternehmensstrategie wirklich voranbringen. Sie kann sich, und damit sind wir beim Kern jeder Outsourcing-Überlegung angelangt, endlich wieder um das kümmern, was ihre eigentliche Aufgabe ist: Das Kerngeschäft des Unternehmens unterstützen. Alles andere kann auch der Kollege weit weg erledigen, ob er nun Deepak, Dimitri oder 韩迪 heißt.

Ein Rad, welches wir nicht neu erfinden müssen

Remote Infrastructure Management (RIM) ist ein hochinteressantes Angebot, welches neben den klassischen Gebieten "Software Services" (Software-Programmierung und Wartung) und "Business Process Outsourcing" (Auslagerung gesamter Geschäftsprozesse wie bspw. Buchhaltung oder Callcenterbetrieb) seine Nachfrage in der globalisierten Welt sucht. Die Potentiale sind hoch, das Vorgehen für Deutschland und Westeuropa noch recht neu – in den USA ist RIM seit Jahren ein etabliertes Vorgehen. Wir haben hier den Vorteil des "Second Movers" – müssen also nicht alles neu erfinden, sondern können auf bereits gewonnenen Erkenntnissen aufsetzen.

Einige dieser Erkenntnisse fasse ich für Sie demnächst in diesem Blog zusammen und stelle Ihnen RIM etwas ausführlicher vor. Kommen Sie also bitte wieder hier vorbei. Vorausgesetzt, sie haben nicht weiter oben schon weggeklickt zur Computerbild. Und sie haben auch etwas mit Computern zu tun ;-)

Mittwoch, 2. Juli 2008

IT-Offshoring Veranstaltung: Rückblick. Und: Ein neuer Report aus den USA . Der US-Wahlkampf und Global Sourcing.

Rückblick: Die Veranstaltung "IT-Outsourcing und Offshoring in der Praxis" am vergangenen Mittwoch im Hause Kleiner Rechtsanwälte in Stuttgart war bestens besucht – vielen Dank an alle Teilnehmer für die interessanten Beiträge, die lebhafte Diskussion und den Blick hinter die Kulissen der globalen IT-Wertschöpfung. Besonderer Dank gilt dem Hausherrn Rechtsanwalt Schneider-Brodtmann, der in dem außerordentlich angenehmen Rahmen der Stuttgarter Villa Augusta eine erstklassige Veranstaltung präsentierte. Man darf auf die nächsten Events gespannt sein!

Die US-amerikanische Brown-Wilson-Group, seit 2005 mit dem "Schwarzbuch Outsourcing" im Markt präsent, hat ihren jährlich aktualisierten Forschungsbericht veröffentlicht: Die Befragung von 24.000 Managern zu ihren Erfahrungen mit ausländischen Anbietern platziert Hewlett-Packard an der Spitze der Rangliste, gefolgt von Perot, CSC, Unisys und EDS. Der Report berichtet unter anderem vom Effekt des "Reverse Outsourcing": Asiatische Unternehmen eröffnen Büros in den USA und stellen Amerikaner ein um Kundennähe zu gewinnen und eine hohe Servicequalität liefern zu können. Wir erleben hier in Deutschland einen ähnlichen Trend: Hiesige IT-Outsourcing-Anbieter vergeben Teile ihrer Aufträge an Global-IT-Anbieter weiter oder eröffnen gleich selbst eine IT-Produktion in Osteuropa oder Asien. So wird Kundennähe mit den Vorteilen einer globalen Wertschöpfung kombiniert. Den Kunden kann es nur Recht sein: Weder Sprache noch Zeitverschiebungen, weder kulturelle Hürden noch rechtliche Probleme berühren sie. Sie bekommen einfach nur ihre Dienstleistung geliefert, und das schnell, günstig - und auf deutschem Qualitätslevel.

Das Thema "Offshore Outsourcing" oder "Global IT Sourcing" darf natürlich auch im Wahlkampf um die US-amerikanischen Präsidentschaft nicht fehlen: McCain und Obama müssen jetzt noch fünf Monate lange Monate ihren Wählern erklären, wie sie mit dem Abfliessen von IT-Aufträgen nach Indien und China umgehen wollen. Das ist ganz dünnes Eis – die Masse der US-Wähler steckt vielleicht nicht ganz so tief in der Materie, um die langfristig positiven Effekte der globalen Arbeitsteilung und das Grosse Ganze zu verstehen. McCain zeigt sich offshore-freundlich, schon nach den Vorwahlen in New Hampshire hatte er seine Begeisterung für die Globalisierung und die "neuen amerikanischen Arbeiter" gezeigt. "Levelling the global playing field", "the next generation of workers" und "a nation committed to competitiveness" sind Standardformulierungen in McCains Reden und den Veröffentlichungen seines Wahlkampfteams. Etwas anders Barack Obama, der sich zunächst versuchte, sich mit allgemeinen Plattitüden durchzumogeln ("We can’t have medicines that are actually making people more sick instead of better because they’re produced overseas."), dann aber doch zugeben musste:"We live in a more competitive world, and [outsourcing to India and China] is a fact that cannot be reversed!".
Ich werde weiter berichten!