Samstag, 26. Januar 2008

Der Wellness-Faktor bei der globalen Auftragsvergabe

Einer der schönsten Lacher, den die Tagesschau bisher serviert hat, war ja Jens Riewas legendäre Ankündigung „aus Frankfurt nun die Lottovorhersage für …“. Jaja, schön wär’s. Wenn man nur wüsste, wohin morgen die Sonne scheint. Das denken sich neben uns Lottospielern auch die Verantwortlichen in den asiatischen und osteuropäischen Softwarehochburgen, die permanent entscheiden müssen, ob sie zu horrenden Mieten einen weiteren Quadratfuss an ihrem angestammten Standort dazumieten, oder ob sie sich einen Alternativstandort aussuchen, der preislich weniger schmerzt und Mittel für Wachstum freisetzt. Die sprichwörtliche Luft zum Atmen – nicht nur für’s Budget der Firma, auch für die Mitarbeiter in der Programmierung spielen die sogenannten „Tier-2-Cities“, also die „Standorte der zweiten Klasse“, eine zunehmend wichtige Rolle.

Aktuell machen alternative Standorte von sich reden, die Wellness nicht nur für die GuV, sondern eben auch für den Faktor Arbeit versprechen: Exemplarisch sei das mediterrane Klima der Schwarzmeerküste auf der Krim genannt, wo sich die Ukraine von ihrer schönsten Seite zeigt. Viele der ukrainischen Softwareentwickler, die in Kiew vor einer von nur zwei Brücken über den Dnjepr stundenlang im Stau stehen, überlegen sich gut, ob sie nicht lieber bei einem Anbieter auf der schönen Krim anheuern und in sauberer Luft und Ferienathmosphäre arbeiten. Ähnliches spielt sich mit Alternativstandorten in Indien und China ab: Über das Argument „Lebensqualität“ kriegen auch Unternehmen, die nicht direkt in den Universitätsstädten sitzen, ihren Zugang zu neuen Mitarbeitern. Dies gilt inbesondere für die so begehrten erfahreneren Mitarbeiter, die sich nach 5 oder 6 Jahren IT-Karriere nun mit Gedanken an mehr Balance im Leben und an eine Familie beschäftigen. Wenn sich die niedrigeren Kosten in der „zweiten Lage“ dann auch in den Preisen für die Kunden niederschlagen, lohnt sich bei der Suche nach einem IT-Partner ein Blick auf „Tier-2“-Standorte allemal.

Noch etwas: Technology Partners, Inc. haben in ihrem Quarterly Index gerade festgestellt, daß Europa (genauer: EMEA) im Jahr 2007 der aktivste Outsourcingmarkt der Welt war. „Wir“ haben die USA sowohl in der Anzahl der neuen Vertragsabschlüsse überholt als auch im Volumen der Aufträge: Mit etwas mehr als 32 Mrd. Euro orderten EMEA-Unternehmen etwa das anderthalbfache Volumen des US-Offshoring-Marktes. Im Gesamtmarkt werden 7% Wachstum für 2008 erwartet. TPI präsentiert seine wichtigsten Offshore-Outsourcing-Erkenntnisse aus dem letzten Quartal und dem gesamten Jahr 2007 hier.

Spannende Zeiten !

Samstag, 19. Januar 2008

Was sich fürs Offshoring eignet, Tatas Quartalsergebnisse, Cyrill Etschingers neues Buch

Heute mal eine kleine Rundschau durch die aktuellen Meldungen für die Offshore-und-Global-Sourcing-Interessierten:

Reuters hatte ja bereits 2004 einen Sprung nach Indien getan und einen Teil der internen Prozesse des Nachrichtenkonzerns dort abwickeln lassen, wie die Times of India damals stolz berichtete. Nicht weniger als eine "new outsourcing era in the global media and publishing business" wurde ausgerufen. Natürlich geschah es gegen wilde Proteste der amerikanischen Journalisten-Gewerkschaften, aber aus gutem Grunde: Die Kollegen in Indien haben den selben Job besser, billiger und schneller erledigt.
Administrative Prozesse der Nachrichtenabwicklung und das Generieren von Bildunterschriften scheinen für Offshoring geeignet. ValueNotes schreibt einen guten Artikel zum Thema Editorial Offshoring (Externe Vergabe von Redaktionellen Aufgaben).
Für andere Aufgaben wie bspw. das Generieren von lokalen redaktionellen Inhalten gilt das eben nicht: So hat der Miami Herald in einer viel beachteten Entscheidung gerade verkündet, die Vergabe von inhaltlichen Aufgaben nach Indien nicht weiter zu erwägen. Man hatte sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und festgestellt, daß in bestimmten Bereichen zu viele Hindernisse in der Abwicklung aufgetaucht sind – das Wissen um lokale Bräuche und Nuancen ist eben nicht einfach dokumentier- und nach Indien verschickbar. Anderes schon, und das wird auch gemacht.
Also: Die Aufgabe, die "nach Offshore" geht, muss dafür eben auch geeignet sein. Bei der Auswahl solcher Aufgaben kann man sich ja Hilfe holen, bspw. hier. Also gut, das war Eigenwerbung :-) Stimmt aber trotzdem.

Finanzberichte sind ja selten wirklich unterhaltsam, aber dieser hier –wie immer – einen Blick wert: Tata Consultancy Services (TCS), der größte Technologie-Outsourcer der Welt, hat seine Quartalsergebnisse präsentiert. Da steht etwas von über 4.000.000.000 US-Dollar Umsatz in den ersten 9 Monaten des Fiskaljahres

Und Cyrill Eltschinger, IT-Outsourcing Papst in Peking, stellt sein Buch „Source Code China: The New Global Hub of IT Outsourcing“ in Pekings „Capital Club“ vor. Konträr zum normalerweise in der IT-Szene beobachtbaren Hang (oder ist es ein Zwang?) zur Lässigkeit im Auftreten wird in der Einladung um den Verzicht auf „Jeans Trousers“ und "Sports Shoes“ gebeten ! In Anführungszeichen! Outsource in Style – vielleicht erleben wir die Geburtsstunde einer ganz neuen Idee…

Schönes Wochenende!

Samstag, 12. Januar 2008

Die Zeit des Offshore-Outsourcing ist vorbei (Genau. Und es gibt einen Weltmarkt für höchsten 5 Computer.)

Eine Bekannte berichtete mir gerade, daß sie eine Veranstaltung zum Thema Offshore-Outsourcing nur mäßig besucht vorfand. Ähnlich äußerte sich letzte Woche die Verantwortliche für einen IT-Kongreß letzten Herbst: Es sei ein befriedigendes, aber nicht gerade ein berauschendes Ergebnis gegeben.

Wie bitte ?

Glauben IT-Verantwortliche tatsächlich, daß wir uns nicht mehr um Kosteneinsparungen, internationalen Wettbewerb, globale Kooperationen zu kümmern zu brauchen ? Nur weil es gerade mal für einen Moment ganz gut läuft mit der Konjunktur? Das ist ein – nennen wir es mal vorsichtig „waghalsiger“ – Ansatz.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in seinem Projekt INTERDIG gerade sehr deutlich festgestellt, daß Deutsche IT-Dienstleister ihre Mitarbeiter auf Internationalisierung vorbereiten müssen, wie Projektpartner Berlecon Research mitteilt. S&P haben vorletzte Woche für 2008 vorausgesagt, daß bei den IT-Dienstleistungen weiterhin einen starker Trend zum Offshore-Outsourcing besteht.

Ein gewisser Natarajan Chandrasekaran hat der Financial Times Deutschland gerade die drei Prioritäten seines Hauses in Europa erklärt. Sie lauten, haha: „Deutschland, Deutschland, Deutschland". Herr Chandrasekaran ist übrigens ist Vizevorstandschef des indischen Offshore-Outsourcing-Giganten Tata Consultancy Services. Das sind die mit den viereinhalb Milliarden Dollar Jahresumsatz, die seit 2005 um 40.000 Mitarbeiter gewachsen sind. (Bitte auf der Zunge zergehen lassen: Seit 2005. Um 40.000 Mitarbeiter. Das heisst: Etwa verdoppelt.)

Hat jemand gesagt, die Zeit des Offshore-Outsourcing sei vorbei?

PS: Den Report „INTERDIG“ gibt es übrigens zum kostenlosen Download --> hier. Lesenswert, mindestens die Zusammenfassung der Ergebnisse in Kapitel 4 und die eine oder andere Fallstudie in Kapitel 3.

PPS: Am 16.01.2008 wird Tata Consultancy Services seine neuesten Quartalsergebnisse verkünden. Letztesmal berichtete er von 40 (vierzig) Prozent Umsatzwachstum. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Chandrasekaran am 16. etwas von Zeiten, die vorbei sind, erzählen wird…