Samstag, 17. Mai 2008

Die Gewinner der Globalisierung

Wegen 10 fehlender Rupien (etwa 15 cent) für Busfahrkarten haben ein indischer Arbeiter und seine vierjährige Tochter am Mittwoch im indischen Orissa den Tod gefunden, das meldete gestern die FAZ. Es habe eine Auseinandersetzung mit dem Schaffner gegeben, die beiden seien in der Folge aus dem Bus gestossen und überfahren worden. Daraufhin hätten aufgebrachte Passagiere den Bus in Brand gesetzt.

Das ist eine scheußliche Meldung und eine tragische Geschichte. Solche Meldungen führen mir stets aufs Neue vor Augen, wie weit entfernt manche Länder, aus denen wir Dienstleistungen beziehen, tatsächlich liegen. In diesem Falle ist es die Entfernung auf der Wohlstandsskala, die in den Vordergrund tritt. Laut NASSCOM arbeiten rund 2 Mio. Inder auf dem Subkontinent in einer technologienahen Branche und gehören zur Schicht der Gesellschaft, die als "upwardly mobile" bezeichnet wird, also als aufsteigend und in der Lage, sich am oberen Ende der Wohlstandsskala zu orientieren. Das sind weniger als 0,2% der indischen Bevölkerung (2 Mio gegenüber 1,15 Mrd)! Wir dürfen nicht vergessen, daß unsere Gesprächspartner in Softwareprojekten und Callcentern, in Wartungsarrangements und SAP-Implementationen nicht die durchschnittlichen Inder sind, sondern die direkten, primären Gewinner der Globalisierung. Über deren Wirtschaftskraft profitieren nun zunächst deren Familien, nach und nach aber die gesamte indische Gesellschaft vom internationalen Austausch. Sie hat es, und das sollten wir eben nicht vergessen, dringend nötig.

Noch eine Meldung, diese stand unter anderem in der ZEIT: Das indische Billig-Auto TATA NANO enthält eine ganze Menge deutscher Teile. Von Bosch über Freudenberg bis ZF steckt viel deutsche Ingenieurskunst im "indischen Volkswagen". Hergestellt wird alles in den jeweiligen indischen Dependancen. Man habe sich vom reinen Zulieferer zu einem integrativen Bestandteil der Wertschöpfungskette hochgearbeitet, berichten die Manager vor Ort. Nun sei man auch in Design und Gesamtarchitektur komplexer Systeme eingebunden. Das spiegelt exakt die Entwicklung in der globalisierten IT-Landschaft wider: Waren die Partner "offshore" und "nearshore" zunächst reine Ausführungsgehilfen, haben sie sich inzwischen einen festen Platz in Planung und Entwurf von Produkten und Systemen erarbeitet. Der ZEIT-Artikel steht hier. Wer sich darüber informieren möchte, welche Projekte sich für eine Vergabe nach Asien oder Osteuropa eignen, sollte mal hier klicken.