Freitag, 9. Januar 2009

Droht IT-Indien nun endgültig der Niedergang?

Die Bombe ist geplatzt: Ramalinga Raju, der Chef von Indiens viertgrößtem IT-Outsourcer Satyam hat jahrelang in ganz großem Stil die Bilanzen gefälscht. Alles gelogen, es gab keine Milliarde Cash, der Platz am selben Tisch mit Infosys, Tata Consultancy Services und Wipro war schlicht ergaunert. Herr Raju, der behauptet, er sei es ganz alleine gewesen (ja genau!) ist gerade nicht auffindbar. "Quellen" melden, der CFO habe heute morgen versucht, sich umzubringen. Das Satyam-Debakel ist eine Katastrophe für die gesamte indische IT-Outsourcing-Industrie, nach den Terroranschlägen von Mumbai stand es um die Attraktivität indischer Anbieter sowieso nicht zum Besten. Bei Satyam bangen heute 53.000 Mitarbeiter um Ihre Jobs – diese Leute gehören zur ersten indischen IT-Generation, viele entstammen aus kleinen, nicht wenige aus armen Verhältnissen. In Indien steckt häufig das gesamte Vermögen einer Großfamilie in der Ausbildung eines einzigen Kindes – auch unter diesem Aspekt eine Tragödie für die Mitarbeiter und den empfundenen Schandfleck in ihrem Lebenslauf. Die Konkurrenten picken sich jetzt die besten heraus – zu günstigeren Konditionen sind kompetente IT-Fachkräfte in Indien seit Jahren nicht zu haben. Damit stehen die Chancen, dass irgendwelche Satyam-Projekte gerade ordentlich bearbeitet werden, fast gleich null. Die Leidtragenden sind die Kunden. Die Satyam-Bücher wurden übrigens jahrelang von PwC geprüft. Ich bin mal gespannt, was die dazu zu sagen haben, außer dem vorhersagbaren 'The audits were conducted by Pricewaterhouse in accordance with applicable auditing standards and were supported by appropriate audit evidence' von gestern.

Das amerikanische CIO Magazine bemerkt, dass "Nearshoring" – also die Vergabe von IT-Aufträgen an einen Dienstleister aus einem nicht allzu weit entfernten Land, zu weniger Reibungsverlusten wegen Zeitverschiebungen führt. Das ist zunächst einmal natürlich sehr weise und bedeutet konkret, dass man sich in den USA zur Zeit verstärkt auf Südamerika fokussiert – das passt im Licht der indischen Turbulenzen sowieso gerade ganz gut. Und aus Deutschland schauen wir nach Osteuropa und finden dort eine bestens aufgestellte und kostengünstige IT-Industrie– die Leser dieses Blogs wissen das schon etwas länger. Kiew wird bspw. aktuell dreimal täglich ab Frankfurt angeflogen. Eine Stunde Zeitverschiebung. Und, nebenbei bemerkt: Kein Visum nötig! Für kurzfristig angesetzte Projektmeetings und überhaupt für ein verlustarmes Miteinander ein echter Vorteil.

Und noch eine Meldung in eigener Sache: Der neue Sourceconomy-Webauftritt scheint gut anzukommen, wir freuen uns über viele Besuche, viele positive Rückmeldungen und über die hilfreichen Anmerkungen für weitere Verbesserungen. Das Jahr fängt gut an, wir haben alle Hände voll zu tun. Am 4. Februar tagt unter der Leitung von Wolfgang Kraus wieder der mittlerweile zu eindrucksvoller Teilnehmerzahl angewachsene und daher inzwischen etwas zu bescheiden betitelte "ITStammtisch" in Bad Rappenau. Anmeldung hier. Und schon mal zum Vormerken: Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) veranstaltet am 22. und 23. April 2009 in Frankfurt am Main das Management Forum "Einkauf von IT-Leistungen", das wird unter anderem auch einen Blick über den Tellerrand werfen und internationale Aspekte beleuchten. Wenn Sie an der Teilnahme am Management Forum "Einkauf von IT-Leistungen" interessiert sind, kontaktieren Sie uns bitte.